Covid-19 und die Folgen für die Wirtschaft
Beim dritten virtuellen Meeting des Businessclub CLUB TIROL gab Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, dazu kompetente Ein- und Ausblicke.
Covid-19 ist mehr als eine Wirtschaftskrise und im ökonomischen Vergleich zur Finanzkrise 2008 ist der Finanzsektor diesmal nicht der Auslöser der Krise, sondern ein Teil der Lösung. Dieser sei gerade in Österreich jetzt stabil und gut aufgestellt. Die nunmehrigen wirtschaftlichen Probleme sind nicht direkt durch die Krankheit eingetreten sondern durch die im Kampf gegen deren Ausbreitung getroffenen Gegenmaßnahmen, die eine globale Reduktion von Angebot und Nachfrage erzwungen haben. Daraus ergibt sich nun die große Herausforderung, diese negativen wirtschaftlichen Auswirkungen entsprechend abzufedern und „die Wirtschaft“ wieder in Gang zu setzen.
„Es gibt nicht viele Experten, die besser über die Auswirkungen der Coronakrise auf die Wirtschaft sprechen könnten“, begrüßte Club Tirol Präsident Julian Hadschieff beim dritten virtuellen „Club-Abend“ den dazu eingeladenen Gastreferenten Universitätsprofessor MMag. Dr. Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank. Dieser referierte im Videocall zum Thema "Wirtschaftliche Entscheidungen - Restart – KMU´s, EPU´s wie geht es weiter mit der Wirtschaft?“ und beantwortete eine Reihe brennender Fragen der rund 50 zugeschalteten Club Tirol Mitglieder. Moderiert und ergänzt wurde das Meeting von keiner geringeren als Habers „Kollegin“ Dr. Barbara Kolm, Vizepräsidentin der Oesterreichischen Nationalbank sowie Präsidentin des Hayek-Instituts und auch Club-Tirol Vorstandsmitglied.
„Anfang des Jahres 2020 haben wir uns mit Themen wie dem zunehmenden Protektionismus und Nationalismus beschäftigt, die wirtschaftlichen Perspektiven waren auf einen leichten Konjunkturdämpfer eingestellt, für das 2. Halbjahr war aber wieder Wachstum prognostiziert, weitere wesentliche Themen waren der Green Deal, der digitale Sektor, ein Gleichgewicht von marktwirtschaftlichen und sozialen Fragen und in der EZB war die Überprüfung der bisherigen geldpolitischen Strategie eines der Hauptprojekte“, erinnerte sich Haber zurück. „Jetzt, drei Monate später, stellt die Corona-Pandemie ganz Europa auf den Prüfstand und wir diskutieren über Corona-Bonds, Haushaltsfragen, steigende Staatsverschuldungen, umfassende geld- und fiskalpolitische Maßnahmen.“
Die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zeigen offenbar Wirkung. Was jedoch deren Auswirkungen für die Wirtschaft bedeuten, darüber lassen sich „angesichts des unsicheren Verlaufes keine wirklich seriösen Prognosemodelle erstellen. “Bisherige Szenarien reichen etwa von einem Rückgang des BIP von drei bis hin zu neun Prozent. Österreichs Unternehmen sind je nach Branche und auch je nach Bundesland sehr unterschiedlich betroffen. Manche Schätzungen gehen zum Beispiel davon aus, dass der Wertschöpfungsrückgang pro Woche insgesamt bei rund 2,2 Milliarden Euro liegt. Aber „Achtung, alle diese Prognosen haben große Schwankungsbreiten, es sind Modellrechnungen auf Basis von Szenarien, über deren Eintrittswahrscheinlichkeit wir wenig wissen.“
Vier Phasen für UnternehmenHaber sieht jedenfalls vier Phasen für Unternehmen, die alle unterschiedlich wirken und entsprechend adressiert werden müssen. Die erste ist (war?) jene, in der Einnahmen ausfallen, die Ausgaben aber weiterlaufen, was zu einer Liquiditätsverknappung geführt hat - dieser kann durch Kreditfinanzierungen, Garantieprodukte, Stundungen, Haftungen etc. aufgefangen werden. Salopp gesagt, sei eigentlich „genug Liquidität vorhanden, sie ist nur schlecht verteilt“, denn es gibt auch Unternehmen, die weniger Ausgaben getätigt haben. Um die Liquidität zu stabilisieren, gibt es entsprechende staatliche Lenkungseffekte. Allein die EZB hat dem Markt ein zusätzliches Finanzierungsvolumen von 750 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
In der zweiten Phase erleiden Unternehmen Verluste, „die unmittelbar, die Kapitaldecke reduzieren, was schmerzt und sogar zu Insolvenztatbeständen führen könnte.“ Hier greifen die Modelle wie Kurzarbeit. Es gelte, die „Vernichtung von volkswirtschaftlichen Ressourcen zu verhindern, indem man sicherstellt, dass Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte nicht vom Markt verschwinden.“
Die nächste, dritte Phase werde sein, dass man schon vorher gut funktionierenden Unternehmen, die einen „Einmaleffekt erlitten haben, und durch diesen Verlust an den Rand ihrer Kapitalausstattung geraten, mit Subventionen und Transfers ein Weiterarbeiten ermöglicht.“ Noch ließen sich diese Schäden aber nicht abschätzen. Die vierte und letzte Phase umfasse schließlich alle Instrumente für eine Konjunkturbelebung. Dafür „ist es jetzt aber noch zu früh, das hätte im Moment noch keine positiven Auswirkungen.“
Was Solidarität bedeutetIn den jeweiligen EU-Ländern wurden, so Haber, sehr unterschiedliche Hilfspakete geschnürt. Während etwa Deutschland bis zu „25% seines BIP als Hilfsmaßnahmen angekündigt hat, liegen die Iren etwa bei 2-3 Prozent, Österreich bei etwa 10 Prozent.“ Die Länder sind jedoch auch sehr „unterschiedlich aufgestellt“. Es zeige sich jetzt, wer in der Vergangenheit eine gute und stabile Staatshaushaltspolitik betrieben habe und über entsprechende „Puffer“ verfüge. Das sei auch eine Frage der Solidarität: Nicht nur in der Krise gemeinsame Töpfe zur Verfügung zu stellen, sondern das „in guten Zeiten dafür zu sorgen, dass man gut aufgestellt ist, um nicht in schlechten Zeiten eine Schwachstelle in der gesamten Kette zu werden.“ Dies bedinge aber auch, dass nach Ende der Krise alle „diese Puffer wiederaufgebaut werden müssen.“
Auf die Frage nach den (wieder) diskutierten „ (Euro) Corona-Bonds“ hält Gottfried Haber fest, dass er dafür kein Verfechter sei: „Ich glaube, in einer Krise wie jetzt, neue strukturelle Instrumente einzuführen, wäre der schlechteste Zeitpunkt, und würde einen Paradigmenwechsel, wie sich Europas Staaten finanzieren, herbeiführen.“
Staatsschulden nicht mit neuen Steuern abbauenWie es weitergehen werde, lässt sich laut Haber im Moment aufgrund noch ausstehender Daten und Fakten schwer beantworten. Die bisher gesetzten Maßnahmen müssten nun auf ihre Wirksamkeit hin evaluiert werden. Für eine allfällige zweite Virus-Welle, etwa im Herbst, sollten dann gezielte Maßnahmen, die einer verstärkten „Kosten-Nutzen-Analyse unterliegen, eingesetzt werden. Über jene Themen, die schon vor der Pandemie diskutiert wurden, wie der Green Deal, Klimaschutz, Nachhaltigkeit „müssen wir auch weiterreden.“ Dazu werde man auch nach „smarten Lösungen“ suchen müssen. Für bessere Mechanismen zur Behebung von Leistungsstörungen: „Nur just in time zu liefern, mit einem Puffer von einem halben Tag, wird zu wenig sein.“
„Wenn wir von einer kurzfristigen Störung der Wirtschaft ausgehen, die auf die staatlichen Eingriffe zurückzuführen ist, dann macht es auf jeden Fall Sinn, diese Störung mit kurzfristigen Instrumenten, wie der Kurzarbeit, zu beheben.“ Eine Dauerlösung sei dies aber nicht: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in einem Jahr noch auf Kurzarbeit setzen können. Staatliche Hilfen seien dann kaum mehr hilfreich, es gehe vielmehr darum , wirtschaftliche Aktivität mit Augenmaß zu ermöglichen.“ Haber ist kein Freund einer ausufernden Staatsverschuldung, „jetzt ist es aber richtig, dass der Staat diese exogene, temporäre Störung abfängt.“ Danach müssen diese Schulden langsam und konsequent wieder abgebaut werden. Dass dies auch mit Hilfe neuer Steuern (Vermögen, Erbschaft, etc.) geschehen soll, davon hält Gottfried Haber jedoch nichts: „Jedes ökonomische Lehrbuch macht einem klar, dass eine Anhebung von Steuern keine expansive Konjunkturpolitik ist.“
Zur Präsentation von Gottfried Haber: HIER